Michael, wie vielen Tonnen Steine sind deiner Mannschaft und dir nach dem 3:1-Sieg in Neugersdorf von den Schultern gefallen?
Es war eine riesige Erleichterung für alle, weil sich die Situation mit jedem Spieltag zuspitzt. Vor allem die Art und Weise des Siegs war eine geile Mannschaftsleistung. Es hat von A bis Z alles gepasst. Alles hat gegriffen. Es ist ein schöner Moment.
Mal ehrlich: Ohne einen Erfolg wäre der VfB schon mit dem Rücken zur Wand gestanden!
Ja. Die Spiele werden weniger und Neugersdorf ist ein Gegner aus dem Dunstkreis, in dem wir uns bewegen. Von daher war es ganz besonders wichtig.
Es kommt ja auch noch hinzu, dass der Chemnitzer FC einen Tag zuvor mit der Niederlage kaum noch zu retten ist und wohl in die Regionalliga absteigt!
Genau. Es macht die Situation für alle beteiligten Mannschaft schwierig. Wir sind auf jeden Fall auf der sicheren Seite, wenn wir mit vier Absteigern rechnen.
Mehr als ein Etappensieg war das 3:1 in Neugersdorf daher natürlich auch nicht, oder?
Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht den Krieg. Was es so schwierig macht, ist, dass es bei uns so selten von A bis Z funktioniert hat – wie eben jetzt in Neugersdorf. Die ersten Spiele der Rückrunde haben das gezeigt: In Cottbus, Leipzig oder beim BFC waren wir nicht schlecht, nehmen aber nur zwei Punkte mit. Das zieht sich durch die gesamte Saison, weil wir in jedem Spiel Phasen haben, in denen einzelne Spieler lockerlassen und nicht am Limit sind. Diesmal haben wir es 90 Minuten lang durchgehalten. Wir hatten dann auch noch das Quäntchen Glück dazu. Das bedeutet: Auch dieses Match war ganz eng. Der Sieg war aber ein Brustlöser. Was mir wichtig ist: Die Mannschaft hat gesehen, dass sie – wenn sie 100 Prozent dabei ist – es kann. Es waren alle platt. Alle sind bis an ihre Grenzen gegangen.
Und vor allem war auch die mannschaftliche Geschlossenheit zurück!
Ja. Alle waren zudem auch noch einmal vom Kopf her sensibilisiert. Gerade auch vom Timing her war die Konzentration zu 100 Prozent da.
Kann man also sagen, dass die extrem bittere Pokalniederlage zur Schärfung der Sinne beigetragen hat? Jeder weiß: Jetzt geht es um alles oder nichts!
Das wusste die Mannschaft auch schon vorher. Aber im Sport ist es manchmal eben so, dass du bis zu einem gewissen Punkt fallen musst, um zu kapieren: So kann es nicht weitergehen. Vielleicht ist es auch diese Enttäuschung. So wie die Mannschaft es im Pokal im negativen Sinne erlebt hat, hat sie es in Neugersdorf im positiven Sinne erfahren. Sie hat beide Seiten der Medaille gespürt. Wir vertrauen der Mannschaft nach wie vor. Wir wissen, dass sie die Punkte für Auerbach holen können. Sie ist gut trainiert, gut vorbereitet, sie hat einen taktischen Fahrplan, den wir aber nicht immer umsetzen. Auch wenn wir damit nicht immer richtig liegen, müssen wir uns an den roten Faden halten – und eben einfach mehr Spiele gewinnen.
Drei Siege – bis vor dem Neugersdorf-Spiel – waren einfach zu wenig, richtig?
Das haben wir vor dem Spiel der Mannschaft gesagt: Wir stehen mit drei Siegen da. Im Sport tritt man an, um zu gewinnen. Nur drei Siege sind uns – für den Aufwand, den wir betreiben – zu wenig. Wir wollen nicht Oberliga! Wir wollen in schönen Stadien in der Regionalliga gegen attraktive Gegner spielen.
Am Sonntag, 13.30 Uhr, kommt der Berliner AK ins VfB-Stadion. Jetzt gilt es, nachzulegen?
In der Art und Weise des Spiels müssen wir nachlegen. Dann sehen wir, was dabei herauskommt. Es wird doch nicht so sein, dass wir alle zwölf Spiele gewinnen. Wir müssen aber auf dem Platz mit Nachdruck unseren Willen zeigen – ob es gegen ein Team aus der oberen oder aus der unteren Tabellenhälfte geht. Wir müssen Galligkeit auf dem Platz beweisen. Das haben wir oft vermissen lassen. In allen zwölf Spielen müssen wir dies nun zeigen.
Der Berliner AK ist allerdings ein anderer Gegner als Neugersdorf. Wie gehen Sie das Spiel an?
Das Hinspiel (2:4-Niederlage) bildet einen Reizpunkt für uns: Wir lagen dort 0:1 zurück, haben uns herangearbeitet und sind mit 2:1 in Führung gegangen. Nach einem Feldverweis ist unser Kartenhaus zusammengefallen. Ein typisches Spiel für uns. Wir haben über weite Strecken gut mitgehalten, aber eben nicht durchgängig. Dann ist es eben in die Hosen gegangen. Jetzt müssen wir uns die Punkte zurückholen, die wir in der Hinrunde verloren haben.
Seit Mittwoch weiß die Mannschaft auch: Es geht!
Die Mannschaft hat es absolut drauf. Doch du darfst es nicht nur in den Beinen haben, sondern du musst auch vom Kopf her die Siegermentalität haben. Da waren wir bislang zu nachlässig – ganz nach dem Motto: Das wird schon werden. Und es wird eben nicht irgendwie werden! Wir müssen uns zusammenraufen. Ich hoffe, dass alle nun dies gefühlt haben. Das kann ein entscheidender Schritt sein.
Die Regeneration fällt mit dem Sieg auch leichter.
Grundsätzlich geht es mit einem Erfolg schneller. Wir geben den Spielern auch Freiraum, damit sie auch psychisch regenerieren. Dass sie es physisch drauf haben, haben sie gegen den FC Oberlausitz gezeigt. Trotz aller Belastung haben sie gegen die Neugersdorfer Profis mitgehalten. Die Physis ist da, der Kopf muss nur mitmachen.
Also hat die Mannschaft es doch drauf. Sie hatten am Saisonbeginn gesagt, es sei die stärkste Mannschaft, die Auerbach jemals hatte.
Ich bin davon überzeugt, dass wir über eine sehr starke Mannschaft verfügen. Was wir am Anfang der Saison nicht vorhersehen konnten, ist: Wie stark ist jeder im Kopf. Das war bislang das größte Defizit.
Eine persönliche Frage: Wie hoch lastet der Druck auf Ihnen?
Es ist für mich ein Lernprozess. Wir kämpfen als VfB Auerbach von Hause aus gegen den Abstieg. So ist auch der Verein aufgestellt. Damit war die Aufgabe auch schon vor der Saison klar. Gerade als Trainer ist es wichtig, auch diese Dinge kennenzulernen. Wir müssen die Dinge nur in die richtige Richtung biegen. Natürlich machen wir dabei auch Fehler. Auch ich habe Fehler gemacht. Dazu stehe ich. Ich versuche Dinge, die gehen eben auch mal schief.
Aus welchen Fehlern haben Sie gelernt?
Was traue ich einer Mannschaft zu? Was lässt man lieber mal weg? Die Einstellung der Mannschaft – also, wie offensiv oder defensiv richte ich die Mannschaft aus. Was gebe ich der Mannschaft an Reizen mit. Diese Steuerung ist hochsensibel. Bei uns ist es ein extremes Bild, dass die Leistungen der Spieler extrem schwanken. Das hängt auch mit den Lebensumständen zusammen: Wir haben Studenten und Spieler, die eine Ausbildung machen, oder Spieler, die komplett arbeiten. Das alles erklärt die Schwankungen. Diese Schwankungen muss ich antizipieren – also ob ich die Mannschaft eher offensiv oder defensiv aufs Feld schicke. Da liegen wir manchmal daneben.
Lukas Novy saß in Neugersdorf nur auf der Bank. Hat dies dabei auch eine Rolle gespielt?
Es war keine Entscheidung gegen Lukas Novy, sondern für Vaclav Heger. Vaclav symbolisiert das, was wir in Auerbach brauchen: den Kampf, den Teamgeist. Mich freut es umso mehr, dass er dann ein Tor macht. Auch Lukas Novy wird uns noch weiterhelfen – gerade auch als Leistungsträger. Ich muss aber dazusagen: Auch unsere Leistungsträger müssen kritikfähig sein. Auch da geht sicherlich auch noch ein Stück mehr. Bei nur drei Siegen bis Mittwoch gilt das aber für alle – Spieler und Trainer.
Sind gegen den Berliner AK größere personelle Veränderungen geplant?
Wir versuchen eine gewisse Konstanz zu schaffen. Wir werden nicht am großen Rad drehen.